Darf ich sie Jungs nennen? Ich kenne sie nicht, kenne weder ihren Namen noch ihre Herkunft. Unser Gespräch dauerte keine drei Sätze und die Begegnung weniger als fünf Minuten...
... Doch die beiden haben mein Herz erfreut, waren der I-Punkt des Tages, das Sahnehäubchen auf dem eh schon gelungenen Tag, all den schönen Impressionen.
Da sitzen die beiden Jungs im Schatten, etwas oberhalb unseres Weges, den wir entlang des Flusses gehen. Sind die beiden 16 oder 17 Jahre alt? Der eine vielleicht jünger, der andere älter. Auf dem Tisch, an dem sie sitzen, liegen mehrere Postkarten verteilt und sie schreiben, tief versunken, konzentriert. Sie wählen die Worte. Wem sie wohl schreiben?
Im Vorbeigehen sehe ich die beiden aus dem Augenwinkel. Vieles habe ich an diesem Tage gesehen. Mit Begeisterung hatte uns unsere Begleiter seine Stadt gezeigt: Häuser, Kirchen, Gässchen, Hinterhöfe und Gärten. Er macht uns Appetit auf diese Stadt und schon bald ist klar: wir würden wiedekommen. All die Eindrücke brauchen Zeit. Heute gibt es nur einen Überblick. Wie gerne würde ich verweilen. Mehr betrachten. Sacken lassen. Einmal hole ich sogar das Handy zum Fotografieren raus. Ruhig und gleichmäßig fließt Wasser durch die Stadt. Das Muster, die Ruhe, die Gleichmäßigkeit faszinieren mich und tun mir einen Moment lang einfach gut. Innehalten und die Gedanken einen Moment fließen lassen...
Nach der Stadt noch schnell die Zeit nutzen für Wanderwege. Möglichst viel sollen wir sehen. Natur pur: Felsen, Bäume, Wasserspiele, Sagen und Geschichten. Eindrücke und Impulse. Mein Akku ist wahrlich gut gefüllt. Das Nachklingen wird Zeit brauchen. Die Hand will das Wasser fühlen, das Auge trinken, „was die Wimper hällt“. Welche Kraft das Wasser hat! Ein weiteres Fofo des Tages. Die Gedanken ziehen ihre Kreise. Wir überqueren die Brücke und laufen weiter.
Unerwartet und überraschend sehe ich sie am Wegesrand: die schreibenden Jugendlichen. Begeistert und erfreut muss ich stehen bleiben, zurückgehen und es ihnen sagen: wie toll, dass ihr schreibt! Mit der Hand schreibt! Karten schreibt! Zwei Daumen halte ich ihnen hoch und gebe meiner Freude – und meinem Respekt Ausdruck.
Was meinen Begleitern in diesem Moment durch den Kopf geht, weiß ich nicht. Doch das wir alle diesen Moment nicht vergessen werden, dessen sind wir uns sicher. Meine Begleiter fassen das in Worte. Die Jungs werden sich vielleicht genauso erinnern und jemanden davon erzählen, dass eine Frau stehen blieb, sie ansprach und „gefällt mir“ zum Ausdruck brachte, sichtbar, live, spontan. Kein Foto, nicht viele Worte – aber eine Erinnerung, die bleibt.